Heutzutage wird unter dem Stichwort Klimawandel zu viel in einen Topf geworfen und sinnentleert verrührt. Viele Menschen kriegen das mit, was nicht nur die Politikverdrossenheit anheizt, sondern in zunehmendem Maß auch eine „Klimawandelverdrossenheit“.
Um das Ganze wieder zu entflechten, wollen wir einen längst überfälligen, kritischen Artikel über die ganz normalen natürlichen Klimaschwankungen, die es schon immer gab, präsentieren.
Die gemessenen Temperaturen in der Troposphäre oder den Ozeanen sind stets ein Ergebnis aus natürlichen Klimaschwankungen und menschlichen Aktivitäten [1].
Modellrechnungen zur Klimaentwicklung haben gezeigt, dass die natürlichen Einflüsse auf das Erdklima sowohl, wie in den 1990er-Jahren, zu geringfügig steigenden Temperaturen führen als auch, wie während des letzten Jahrzehnts, eine moderate globale Abkühlung bewirken können [2].
Wie sich beide Einflüsse, der natürliche und der anthropogene, auf das Klima quantitativ verteilen, ist nur ganz schwer abzuschätzen. Vor allem basieren die Einflussgrößen auf sehr unterschiedlichen Zeitskalen.
Ursache der Klima-Änderung | Periode der Schwankung |
Einzelne Vulkanausbrüche | einige Jahre |
Sonnenaktivität und interne Klimaschwankungen | Jahre bis einige Jahrzehnte |
Anthropogene Treibhausgas-Emissionen | mehrere Jahrzehnte |
Erdbahn-Parameter | einige Hunderttausend Jahre |
Plattentektonik | Millionen Jahre |
Schwankungen in der Sonneneinstrahlung zum Beispiel sind in erster Linie eine Folge der regelmäßigen Veränderungen der Erdbahnparameter und waren unter anderem während der letzten drei Millionen Jahre für die Abfolge mehrerer Kalt- und Warmzeiten verantwortlich. Eine dominierende Wellenlänge liegt hier ungefähr bei 100.000 Jahren.
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Unsere Sonne ist alles andere als eine konstante Leuchte. Die Intensität ihrer Aktivität wird bestimmt durch den elfjährigen Sonnenfleckenzyklus (Schwabe-Zyklus), durch riesige Protuberanzen und instantane Sonnenfackeln. Auch der circa 80-jährige Gleissbergzyklus sollte in diesem Zusammenhang erwähnt werden:
Der deutsche Astronom Wolfgang Gleissberg (1903–1986) stellte eine 70 bis 100 Jahre währende Periode für die Häufigkeit und Intensität von Sonnenflecken fest. Eine Folge dieser Schwankung war zum Beispiel in der Zeit zwischen 1645 und 1715 das sogenannte „Maunder Minimum“, das durch eine besonders geringe Sonnenfleckenaktivität gekennzeichnet war und in Europa eine „Kleine Eiszeit“ auslöste.
Explosive Vulkane schleudern riesige Mengen Staub bis hoch in die Stratosphäre, wo sie die Einstrahlung der Sonne behindern. Dies kann zu einer Abkühlung führen, die durchaus zwei Jahre währen kann.
Die permanenten intensiven Wechselwirkungen zwischen den Ozeanen und der Atmosphäre spielen sich auf ähnlichen Zeitskalen ab wie die Folgen der anthropogenen Einflüsse auf das Klima. Insofern kann hier das eine Phänomen das andere überdecken, was die Analyse enorm erschwert. Als Beispiele seien in diesem Zusammenhang genannt:
- das pazifische ENSO-Phänomen
- die Nordatlantische Oszillation (NAO)
- die Atlantische Multidekadische Oszillation (AMO)
- die meridionale Umwälzzirkulation im Bereich des Atlantiks (MOC)
Derartige Phänomene steuern unter anderem die atlantische Hurrikan-Aktivität, die europäischen Temperaturen oder den Niederschlag in der Sahelzone [3].
Die Veränderungen des Erdklimas wirken sich regional sehr unterschiedlich aus. Im Zeitraum von 1910 bis 1940 fand eine ausgeprägte Erwärmung im Bereich des Nordatlantiks und in den östlichen Regionen des Nordpazifiks statt. Während der letzten 30 Jahre wurde es am Nordatlantik auch wärmer, aber im Osten des Nordpazifiks eher kühler.
Seit ungefähr 100 Jahren steigt die mittlere Temperatur in Europa aufgrund der Einflüsse durch den Menschen tendenziell an. Der Kurvenverlauf korreliert aber kaum mit der eher stetigen Zunahme der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, weil der Temperatureffekt durch die Wasseroberflächentemperatur des Nordatlantiks (Sea Surface Temperature – SST) überlagert wird.
Letztere wird wiederum von der „Atlantischen Multidekadischen Oszillation“ (AMO) gesteuert. Die Temperaturabnahme während der 1960er- und 1970er-Jahre war zudem durch eine relativ hohe Aerosolkonzentration über Europa ausgelöst worden.
Aus einer Zunahme der atlantischen Hurrikane kann man mitnichten sogleich einen klaren Nachweis des anthropogenen Klimawandels ableiten, weil eine solche Entwicklung allein auf die natürliche Dekaden-Schwankung des Klimas zurückgeführt werden könnte. Aus wissenschaftlicher Sicht brauchen wir mindestens noch die Zeitreihen der nächsten 20 Jahre, um die beiden Einflussgrößen seriös trennen zu können.
Die internen Dekaden-Schwankungen sind hauptsächlich auf die Wechselwirkung zwischen den träge reagierenden Ozeanen und der kurzfristig und auch chaotisch reagierenden Atmosphäre zurückzuführen [4].
Gerade der Großraum des Nordatlantiks zeichnet sich durch besonders starke Dekaden-Schwankungen aus. Auf Jahressicht wird der Atlantik von der Atmosphäre angetrieben. Betrachtet man längere Perioden ist es aber eher der Ozean, der die Atmosphäre steuert [3].
Das hat alles viel mit der thermohalinen Zirkulation beziehungsweise mit der Meridionale Umwälzzirkulation (MOC) zu tun. Sie ist es, die die Wärme aus den äquatornahen Breiten in die Polarregion verfrachtet und die Temperaturen der Meeresoberflächen (SST) im Nordatlantik bestimmt. Genau davon hängt das europäische Klima vehement ab [5].
Ende des 19. und Mitte des 20. Jahrhunderts waren die SST durch moderate Warmphasen gekennzeichnet, während ab den 1960er-Jahren eher eine kühlere Phase registriert wurde, die aber in den 1990er-Jahren wieder in eine Erwärmung überging. Ganz ähnlich verhielten sich auch die Temperaturen der Meeresoberflächen im Pazifik.
Positive Phasen in den Dekaden-Schwankungen der Nordatlantischen Oszillation (NAO) führen in der Labradorsee, bei Grönland und über dem Norden Kanadas zu einer deutlichen Abkühlung. Gerade jene über der Labradorsee ist bedeutend für die MOC, da dort die thermohaline Zirkulation nach unten abbiegen soll.
Warmes Wasser strömt hier aus den Subtropen heran und gibt umso mehr Wärme an die Atmosphäre ab, je kälter diese ist. In der Folge wird auch die Dichte des Wassers etwas größer, was das Absinken in die Tiefe intensiviert und die MOC antreibt. Genau darauf möchten wir in Europa lieber nicht verzichten.
Klimavorhersagen
Mal angenommen, wir würden alle wesentlichen Parameter der natürlichen Klimaschwankungen kennen, dann wäre es theoretisch möglich, Klimamodelle zu berechnen und möglicherweise bis hundert Jahre in die Zukunft zu extrapolieren. Tatsächlich unterscheiden sich die Projektionen unterschiedlicher Szenarien nicht allzu sehr und driften erst ab ungefähr 2050 etwas mehr auseinander.
Man kann also sagen, dass uns die künftige Klima-Entwicklung unter Einbeziehung der anthropogenen Treibhausgase zumindest für die nächsten 30 Jahre relativ gut bekannt ist. Deutlich schlechter kennen wir den Anteil der Klimaentwicklung durch die natürlichen Faktoren wie externe Antriebe und interne Variabilität.
Es gibt seit der Kleinen Eiszeit eine Zunahme der Solarstrahlung, die aber nur auf 1,2 Promille, also +0,3 W/m2 geschätzt wird. Der seit Beginn der Industrialisierung anthropogen verursachte Strahlungsantrieb aufgrund der langlebigen Treibhausgase beträgt aber +2,6 W/m2, also fast das Neunfache [6].
Tatsächlich betrug der Temperaturunterschied zwischen der Hochphase der Kleinen Eiszeit (Maunder Minimum) und der warmen Klimaperiode zwischen 1960 und 1990 weniger als ein halbes Grad Celsius [7].
In den kommenden Jahrzehnten geht man von einer geringfügigen Abnahme der Solarstrahlung aus. Falls die Sonne gegen Ende dieses Jahrhunderts tatsächlich mit der Kraft strahlen sollte, die jener der Kleinen Eiszeit entspricht, wird dies auf der Erde einen Temperatureffekt von nur -0,1 °C haben [8].
Explosive Vulkanausbrüche, wie wir es 1991 beim Mt. Pinatubo erlebt haben, können aufgrund der starken Emissionen von Aerosolen die Durchschnittstemperatur auf der Erdoberfläche um circa 0,3 °C absenken [9]. Allerdings hält die Wirkung nur wenige Jahre an.
Insofern müssen wir wohl davon ausgehen, dass die globale Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten vorrangig durch natürliche interne Klimaschwankungen zustande kommt.
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Literaturhinweise
- Keenlyside, N.S. and J. Ba, 2010; Prospects for decadal climate prediction; WIREs Climate Change 1 (627–635)
- G. Hunt, 2011; The role of natural climatic variation in perturbing the observed global mean temperature trend; Climate Dynamics 36 (509–521)
- Mojib Latif and Noel S. Keenlyside, 2011; A perspective on decadal climate variability and predictability Deep Sea Research Part II; Topical Studies in Oceanography 58 (1880-1894)
- Mojib Latif, 2009; Klimawandel und Klimadynamik; Stuttgart (S. 82 ff)
- Mojib Latif, 2011; Klimavariabilität, El Nino/Southern Oszillation, die Nordatlantische und die Atlantische Multidekadische Oszillation – Mit Anmerkungen zur Vorhersagbarkeit in J.L. Lozán, H. Graßl, L. Karbe, K. Reise; Warnsignal Klima: Die Meere – Änderungen & Risiken; Hamburg 2011 (78-89)
- IPCC, 2007; Climate Change 2007, Working Group I; The Science of Climate Change (2.7.1.2)
- Foster and S. Rahmstorf, 2011; Global temperature evolution 1979–2010; Environ. Res. Lett. 6; doi:10.1088/1748-9326/6/4/044022
- Jones, G. S., M. Lockwood, and P. A. Stott, 2012; What influence will future solar activity changes over the 21st century have on projected global near-surface temperature changes?; Journal of Geophysical Research; 117; D05103; doi:10.1029/2011JD017013
- Soden, B. J., R. T. Wetherald, G. L. Stenchikov and A. Robock, 2002; Global cooling after the eruption of Mount Pinatubo: A test of climate feedback by water vapor; Science, 296 (727-730)
Dieser Beitrag wurde am 13.05.202 erstellt.