Beiträge

Durch den Betrieb von Atomkraftwerken fällt täglich hochgiftiger, radioaktiver Abfall an. Dieser muss dringend sicher verwahrt werden, und zwar mit einem Zeithorizont von mindestens einer Million Jahren. Aber wie macht man das?

Allein in Deutschland werden mehrere Hunderttausend Tonnen strahlenden Atommülls in unsicheren Hallen und Kavernen „zwischengelagert“. In einigen Fällen handelt es sich um einsturzgefährdete ehemalige Salzbergwerke oder sogenannte Abklingbecken. Nicht zu unterschätzen sind überdies die strahlenden Gase und Stäube, die mit der Abluft und dem Abwasser aus den Atomanlagen direkt in die Umwelt gelangen.

Alle bisherigen Versuche zur dauerhaften sicheren Lagerung des strahlenden Mülls sind kläglich gescheitert. Das ehemalige Salzbergwerk Asse II, gut 8 km südöstlich von Wolfenbüttel gelegen, säuft ab und ist einsturzgefährdet. Der bereits eingelagerte Atommüll muss da unbedingt heraus. Knapp 10 km westlich von Wolfenbüttel befinden sich die Schächte Konrad I und II, die zu einer ehemaligen Eisenerzgrube gehören. Dort findet ein Ausbau für die Lagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle statt, allerdings dringt auch dort schon Wasser ein.

Nur 6 km östlich von Helmstedt befindet sich bereits in Sachsen-Anhalt das Endlager Morsleben, dessen Situation mit der von Asse II gut vergleichbar ist. Seit den 1970er-Jahren wird der Salzstock Gorleben circa 15 km südöstlich von Dannenberg mit Blick auf seine Eignung als Endlager aufwendig wissenschaftlich-technisch erkundet mit dem Ergebnis, dass der Salzstock und sein Hutgestein von unzähligen Rissen und Klüften durchzogen sind und daher ebenfalls direkten Grundwasserkontakt haben.

Im Jahre 2017 wurde das Standortauswahlgesetz (StandAG) verabschiedet, um mit der Suche nach einem wirklich geeigneten Standort innerhalb Deutschlands zur Endlagerung des strahlenden Atommülls sozusagen ganz von vorne anzufangen. Da es aber einen gesellschaftlichen Konsens zum Umgang mit der strahlenden Hinterlassenschaft gar nicht gibt, wird die Endlagerung, ganz egal, wo sie dann stattfinden wird, auch in Zukunft zu massiven Demonstrationen und langwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen führen.

Was wir heute schon wissen, ist, dass das alles viel Geld kosten wird. Daher haben (mussten) die AKW-Betreiber vorausschauend 24 Milliarden Euro in einen staatlichen Fonds eingezahlt. Eine Nachschusspflicht wurde aber, wahrscheinlich sogar absichtlich, versäumt zu vereinbaren. Da das Geld bei Weitem nicht reichen wird, muss der Steuerzahler wieder einmal mehr einspringen.

Trotz allem wurde und wird fleißig Atomstrom produziert

Das Atomgesetz besagte, dass Atomkraftwerke und andere Atomanlagen nur dann betrieben werden dürfen, wenn es sichergestellt ist, dass der entstehende Atommüll „geordnet beseitigt“ werden kann. Da dies ja niemand gewährleisten konnte, wurde das Gesetz 1979 dahingehend industriefreundlich abgemildert, dass der AKW-Betreiber lediglich für die nächsten sechs Jahre den Verbleib des strahlenden Mülls zu klären habe. Die daraufhin beantragten Baugenehmigungen für Zwischenlagerhallen laufen übrigens spätestens in den 2040er-Jahren aus.

Über welche Mengen reden wir hier eigentlich?

Ende 2022 wird in Deutschland auch das letzte noch Strom produzierende AKW abgeschaltet. Dann liegen in unserem Lande ungefähr 17.000 Tonnen hoch radioaktiven Mülls herum, das sind abgebrannte Brennelemente oder Abfälle der Plutonium-Abtrennung. Außerdem dürfen wir circa 600.000 Kubikmeter schwach- bis mittelradioaktive Abfälle unser Eigen nennen. Diese Abfälle befinden sich zumeist direkt an den AKW-Standorten, beim ehemaligen Kernforschungszentrum in Karlsruhe oder auf Halden anderer Sammelstellen.

Das Endlager Morsleben wurde bereits in der DDR genutzt. Dort liegen 37.000 Kubikmeter Atommüll, der bis ins Jahr 1998 weiter angehäuft wurde. Im ehemaligen Salzbergwerk Asse II gibt es 200.000 Kubikmeter strahlenden Mülls, und wenn alle Reaktoren endlich abgerissen sind, kommen nochmals 200.000 Kubikmeter dazu. Ach ja, da wäre auch noch die Urananreicherungsanlage Gronau, die uns mit zusätzlichen 100.000 Kubikmetern Uranmülls beglücken wird.

In Asse II befindet sich vor allem schwach- und mittelradioaktiver Abfall

Asse II wurde einst kurzerhand zu einem Forschungsbergwerk umgewidmet. Von 1967 bis 1978 wurde dort nahezu der gesamte in Westdeutschland anfallende schwach- und mittelradioaktive Abfall untergebracht, sodass dort heute knapp 124.500 Fässer mit schwachradioaktiven Abfällen und fast 1.300 Fässer mit mittelradioaktiven Abfällen lagern. Deren Quellen sind Atomkraftwerke, Atomforschungszentren, die Atomindustrie, Atommüllsammelstellen sowie die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe.

Die Eignung dieses Bergwerks für eine Einlagerung von Atommüll wurde nie geprüft Einige Fässer sind nachweislich korrodiert oder weisen Leckagen auf, wobei eine Vielzahl der Abfälle flüssig ist. Sogar circa 28 kg Plutonium sind dabei und mindestens 94 Fässer enthalten kugelförmige Brennelemente aus dem Versuchsreaktor AVR (Kernforschungszentrum Jülich).

Ganz schlecht für das Grundwasser

Die Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF) war der Betreiber von Asse II im Auftrag des Bundes und passte die Annahmebedingungen stets flexibel so an, dass diese gut mit dem angelieferten Atommüll übereinstimmten. In den Jahren 1969 und 1970 wurden die zulässigen Grenzwerte klar überschritten. Durch deren Heraufsetzen um 500 Prozent konnte das Problem schnell erledigt werden.

Ungefähr im Jahre 2009 wurde es dann amtlich: Seit 1988 dringen jeden Tag circa zwölf Kubikmeter Wasser in die Stollen ein. Dadurch entsteht unten im Bergwerk eine Salzlauge, die unter anderem mit radioaktivem Plutonium, Americium und Cäsium kontaminiert ist. Durch den Druck aus der Bevölkerung kam nun die Politik schwerfällig zu der Auffassung, dass der Atommüll dort so nicht verbleiben kann. Seit 2017 ist die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) Betreiber dieser havarierten Atommüllkippe und damit beauftragt, eine Rückholung der Fässer zu erledigen. Allerdings hat sie damit noch Zeit bis 2033. Die gut sechs Milliarden Euro dafür bezahlt natürlich die Allgemeinheit.

Könnte es etwa sein, dass Atommüll ungesund ist?

In der Zeit von 2002 bis 2009 erkrankten in der Samtgemeinde Asse dreimal so viele Menschen an Schilddrüsenkrebs und doppelt so viele an Leukämie, wie es die mittleren statistischen Erwartungswerte vorgeben.

Zwischenlager für hoch radioaktive Abfälle

In Abklingbecken der Atomkraftwerke lagern abgebrannte Brennelemente bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Oder die Brennelemente sowie die hoch radioaktiven Rückstände aus der Wiederaufarbeitung und der Abtrennung von Plutonium werden in Castor-Behältern eingepfercht.

Solche heißen, tonnenschweren Atommüll-Behälter befinden sich heute in 16 Zwischenlagern, die über die ganze Republik verteilt sind. In Neckarwestheim sind das oberflächennahe Stollen, ansonsten meistens oberirdische Betonhallen, alle mit großen Lüftungsschlitzen ausgestattet. Die Dichtheit der Behälter wurde gemäß Zulassung für immerhin 40 Jahre garantiert.

Gegen den Absturz eines Passagierflugzeugs oder gar gegen außer Rand und Band geratene moderne panzerbrechende Waffen sind solche Lagerstätten nicht gerüstet. Es gab in der Sache einen Rechtsstreit, woraufhin dem Zwischenlager Brunsbüttel die Genehmigung entzogen wurde. Dass die anderen Zwischenlagerhallen keinen Deut stabiler sind, dafür hat sich offenbar noch niemand interessiert.

Rache als Kriterium für eine Standortwahl

Die Entscheidung für das Endlager Gorleben, genauer für das „Nuklearzentrum“, im Jahre 1977 so dicht an der Grenze zur DDR durch den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Carl Julius Albrecht war eine Art politische Rache für Morsleben. Ein atomrechtliches Genehmigungsverfahren gab es dafür nicht, somit auch keine Beteiligung der Öffentlichkeit. Das Deckgebirge über dem Salzstock Gorleben ist nicht dicht, obwohl dies schon damals eine Voraussetzung gewesen wäre. Gemäß StandAG darf Gorleben bei der Neuorientierung erst einmal nicht ausgeschlossen werden.

Auch bei der neuen Suche nach einem deutschen Atommüll-Endlager haben politische Interessen das größere Gewicht als wissenschaftliche Vernunft. Was ist damit gemeint?

  • Die Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgt lediglich auf dem niedrigen Niveau von Information und Anhörung. Der Rechtsschutz für Betroffene ist von vorn herein von untergeordneter Bedeutung.
  • Die Öffentlichkeit wird immer erst dann informiert, wenn praktisch schon vollendete Tatsachen geschaffen worden sind. Die formal gewährten Reaktionszeiträume reichen in der Praxis nicht aus.
  • Das Standortauswahlgesetz sieht vor, dass der Atommüll-Lager-Standort bis 2031 vorliegen muss. Dies ist für ein Unterfangen dieser Tragweite ein ziemlich ambitionierter Zeithorizont.

Wiederaufarbeitung und Transmutation

Warum sollte man nicht den hoch radioaktiven Atommüll einfach wieder aufarbeiten? Wäre das nicht ein vorbildliches Recycling? Nein, denn in einer Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) wird die Menge des Atommülls sogar vervielfacht. Besonders problematisch ist dabei das in nahezu reiner Form anfallende Plutonium, das liebend gern von Hinz und Kunz für den Bau von Atombomben verwendet wird. Zum anderen fällt dabei eine hoch radioaktive, sich immer weiter selbst erhitzende, explosionsgefährdete „Atomsuppe“ an.

Verglichen mit La Hague ist die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) geradezu winzig. Dennoch sind dort fast 70 Kubikmeter Atommüll angefallen, deren Verglasung allein schon circa 2,6 Milliarden Euro verschlungen hat.

Die Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield und La Hague verfrachten enorme Mengen an Radionukliden in die Luft und ins Wasser. Aus diesem Grunde dürfen die Brennelemente aus deutschen Atomkraftwerken seit 2005 nicht mehr in diese Wiederaufarbeitungsanlagen transportiert werden.

Die Transmutation bedeutet jetzt kein Themenwechsel hin zur Biologie. Es geht vielmehr um eine neue Nukleartechnologie, mit deren Hilfe Atommüll in weniger schädliche Stoffe umwandelt werden kann, also um eine Illusion, die den Wiedereinstieg in die Atomenergie beflügeln soll. Auf jeden Fall würden die riskanten Arbeitsprozesse enorme Energien verschlingen, wobei eine solche Anlage pro Jahr maximal circa 300 kg Atommüll verarbeiten könnte.

Da aber mehrere Hunderttausend Tonnen Atommüll vorliegen, kann jeder leicht abschätzen, dass uns dieser Job mindestens 100.000 Jahre lang beschäftigen würde.