Methan: Bedenklicher Anstieg in der Atmosphäre

Im Beitrag „Auf der Jagd nach undichten Stellen„, der zuerst auf spektrum.de erschien, ging die Autorin Tamara Worzewski der Frage nach, weshalb das Methan in unserer Atmosphäre eigentlich ansteigt. Die Autorin machte uns freundlicherweise darauf aufmerksam, dass es in unserem folgenden Beitrag noch einige Unstimmigkeiten gäbe, die wir hier selbstverständlich nachbessern werden.

Zunächst der bisherige Beitrag nach unserem Verständnis „gekürzt“:

Das deutsche Forschungsschiff (FS) Heincke trägt unter dem Bug ein Fächerecholot, mit dessen Hilfe Schallwellen in bestimmten Frequenzen ausgesendet werden. Gefunden werden damit unter anderem Gasblasen in der Wassersäule. Es geht um eine Ausfahrt auf die Nordsee im Jahre 2019 mit dem Ziel, Methanaustritte am Meeresboden aufzuspüren. Im Fokus stehen insbesondere die Bereiche um Altbohrungen. Dabei reden wir von mehr als 16.000 stillgelegte und mit Zement verfüllte Bohrlöcher, die allein am Grunde der Nordsee verteilt liegen.

Gleich nach Kohlendioxid (CO2) ist Methan (CH4) das zweitwichtigste Treibhausgas. Es entstammt zum Teil natürlichen Quellen, das Thema Gashydrate wird später noch gestreift, belastet die Atmosphäre aber auch in zunehmendem Maße durch anthropogene Aktivitäten. Da sind zum Beispiel die Methanaustritte sowohl im Umfeld der aktiven Erdgas- und Erdölförderung als auch der vielen Altbohrungen.

Die gute Nachricht ist, dass Methan ungefähr nur zehn Jahre in der Atmosphäre verbleibt, das ist deutlich kürzer als beim Kohlendioxid, dessen Verweildauer mehr als 100 Jahre beträgt. Die schlechte Nachricht ist, dass Methan über einen Zeitraum von 20 Jahren betrachtet das Klima in etwa 85-mal stärker beeinflusst als CO2.

Der Geochemiker Martin Blumenberg von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zählt die Schritte der Erdgasvorkette von der Produktion bis zur Nutzung so auf:

  • Bohrung
  • Förderung
  • Reinigung
  • Komprimierung
  • Transport via Gasleitungen
  • Verteilung auf die Länder
  • Nutzung durch Gasheizungen
  • Nutzung zur Stromproduktion in Kraftwerken

Bild: pixabay – jpenrose

Bei jedem Einzelnen dieser Schritte kann Gas verloren gehen, und das nicht zu knapp. Im Jahre 2018 veröffentlichte der Environmental Defense Fund (EDF) in der Fachzeitschrift Science die Erkenntnis, dass die jährlichen Methangas-Leckagen in der amerikanischen Erdgaskette mit wenigstens 13 Millionen Tonnen deutlich höher liegen als bislang angenommen.

Mittels Satelliten können solche Gasaustritte im infraroten Spektralbereich übrigens sichtbar gemacht werden. Das EDF will deshalb noch in 2022 den Satelliten MethaneSat in eine Erdumlaufbahn bringen. Aber auch die künftigen europäischen Satelliten CO2M und Sentinel5 werden hochauflösende Methanmessungen durchführen. Derartige Messungen über Wasseroberflächen kann man zwar machen, aber welchem Ursprungsort könnte dort wohl eine Methanfahne zugeordnet werden?

Deutschland hat einen „Entenschnabel“

Der eher kleine deutsche Anteil an der Nordsee hat eine etwas merkwürdige Umrandung, die im nordwestlichen Bereich stark ausdünnt und von der Form her mit viel Fantasie an einen Entenschnabel erinnert. Blumenberg wollte 2019 mit anderen Kollegen aus der BGR, des GFZ-Potsdam und des Bremer MARUM genau diesen Entenschnabel auf Gasaustritte hin untersuchen, doch der Sturm tobte so heftig, dass die Aktion abgebrochen werden musste.

Trotzdem konnten auf dem FS Heincke verschiedene ozeanografische, geophysikalische und geochemische Methoden auf die Wassersäule angesetzt werden, um erhebliche Gasansammlungen und Methanaustritte zu kartieren und nachzuweisen. Einen ausführlichen Bericht darüber aus dem Jahre 2021 finden Sie in Frontiers of Earth Sciences.

Bei fast jeder Bohrung wird Erdgas in die Umwelt freigesetzt

In den Geowissenschaften wird unterschieden zwischen dem (heißen) thermogenen Methangas, das aus einigen Kilometern Tiefe gefördert werden soll, und dem biogenen Gas, welches durch mikrobielle Prozesse bei niedrigen Temperaturen in der Nähe der Erdoberfläche entsteht. In etwa 90 Prozent der natürlichen marinen Gasaustritte sind biogener Natur. Bohrlöcher können nach neuesten Erkenntnissen zwei Leckage-Prozesse in den biogen methanhaltigen Sedimenten in Gang setzen.

Beim Bohren schließt das nachgeschobene Rohr nicht sofort dicht an das umgebende Gestein an. Wird eine gashaltige Sedimentschicht angebohrt, kann entlang der äußeren Rohroberfläche im Ringraum Methan nach oben strömen. Aus diesem Grunde wurden Richtlinien erarbeitet, die besagen, dass in europäischen und norwegischen Gewässern kein thermogenes Gasreservoir angebohrt werden darf, falls eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass an dieser Stelle eine oberflächennahe biogene Gasansammlung durchbrochen wird.

Die Wissenschaftler vom GEOMAR haben dazu noch eine Hypothese aufgestellt. Sie gehen inzwischen davon aus, dass die Quellen der Gasaustritte an den alten Bohrlöchern sogar relativ weit entfernt liegen. Dies liegt sehr wahrscheinlich daran, dass der Untergrund im Umfeld der Bohrung eine Druckentlastung erfahren hat, wodurch sich ein weitestgehend horizontaler Druckgradient, entlang dessen nun das Gas diffundiert, eingestellt hat. Bei einem dieser Bohrlöcher, aus dem biogenes Gas ausströmte, lag die nächste flache Gasansammlung einen ganzen Kilometer weit entfernt. Zwar wird Gas im Wasser gelöst, aber die Nordsee ist als Flachmeer maximal 120 Meter tief, sodass in etwa ein Drittel des austretenden Methans doch bis in die Atmosphäre gelangt.

Bild: pixabay – Shaun Undem

Das Team um Mathias Haeckel vom GEOMAR schätzte ab, dass aus den 1.700 Bohrlöchern in ihrem Untersuchungsgebiet bis zu 3.700 Tonnen Methan austreten könnten, was in der Fachwelt allerdings noch umstritten ist. Haeckels folgerichtiger Vorschlag, in Zukunft im Umkreis von einem Kilometer um eine oberflächennahe Gasansammlung kein tieferes Bohrloch zu setzen, kommt jedenfalls in der Öl- und Gasindustrie gar nicht gut an.

2021 veröffentlichte eine Forschergruppe um Miriam Römer vom MARUM in Frontiers in Earth Science ein Modell über die Entstehung biogenen Gases, das verdeutlicht, dass es offenbar sehr viele natürliche marine Methanaustritte auf dem Meeresboden geben muss. Aber auch mit Blick auf die vielen historischen Öl- und Gasbohrungen an Land, die es insbesondere in Niedersachsen gibt, haben die Wissenschaftler der BGR schon interessante Untersuchungsergebnisse über Bodenluft-Analysen vorgelegt.

Im Oktober 2021 enthüllten Journalisten des amerikanischen Medienzentrums Boomberg L.P. in gleich mehreren Medienberichten, dass es viele alte, leckende Gasbohrungen in den Appalachen gibt, bei denen von einer ordentlichen Versiegelung keine Rede sein kann, denn das fachgerechte Zubetonieren einer einzigen Bohrung kostet mehr als 10.000 Dollar.

Bereits im Sommer 2021 wies die Deutsche Umwelthilfe (DUH) signifikante Methan-Emissionen an 15 oberirdischen Erdgasanlagen nach. Bis vor wenigen Jahrzehnten wurde das Erdgas in Deutschland durch gusseiserne Rohre geleitet, die an ihren Schweißnähten immer wieder Undichtigkeiten aufwiesen. Inzwischen wurden diese aber durch Kunststoffrohre ersetzt. Wegen der vielen Leckagen zirkuliert sogar die Meinung, dass Kohle für Klima und Umwelt am Ende das geringere Übel darstelle. Auf jeden Fall sollten wir Erdgas lediglich als eine Art Brückentechnologie verstehen.

Was sind Gashydrate beziehungsweise Methanhydrate?

Hierbei handelt es sich um Gemische und Verbindungen, die bei eher geringer Temperatur und relativ hohem Druck einen festen Aggregatzustand angenommen haben. Bei den Bestandteilen handelt es sich unter anderem um:

  • Edelgase wie Argon, Krypton, Xenon
  • Halogene wie Brom und Chlor
  • Aromatische Kohlenwasserstoffe
  • Alkane wie Methan, Ethan, Propan
  • Wasser

Natürliche Gashydrate enthalten in erster Linie Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2) sowie etwas Schwefelwasserstoff (H2S). Erstmals entdeckt wurden Gashydrate im Jahre 1811 durch Humphry Davy in der Form von Chlorhydrat. Um 1930 verstopfte dann eine eisartige Substanz mehrere Erdgaspipelines, die durch kalte Regionen führten. Dieses Problem besteht grundsätzlich beim Transport von Erdgas durch kalte Gebiete. Man begegnet dieser Situation mit bestimmten Chemikalien, den sogenannten Inhibitoren, die dem Gas beigemischt werden.

Erst 1965 entdeckte der sowjetische Erdölingenieur Yuri Makogon natürlich vorkommende Gashydrate in den Sedimenten unterhalb eines sibirischen Erdgasvorkommens. Ganz entscheidend für die Bildung natürlicher Gashydrate sind die Parameter Druck und Temperatur in ihrer spezifischen Kombination, eine hohe Gaskonzentration im Sediment oder im Porenwasser vorausgesetzt. Unter bestimmten Druck-Temperaturbedingungen (P-T-Bedingung) werden die Gasmoleküle im Zuge der Clathratbildung in einem Gitter aus Wassermolekülen „eingefangen“. Im Ergebnis enthält nur ein Kubikmeter Gashydrat gleich 164 m³ Gas.

Die Clathratbildung findet auch im Porenraum von Sedimenten statt, die dadurch erheblich verfestigt werden, was zum Beispiel für die Stabilität von Kontinentalhängen sehr wichtig ist. Wenn aus irgendeinem Grunde die leichten Gashydrate frei werden, steigen sie in der Wassersäule schnell nach oben auf, wobei sie durch die Druckentlastung und die zunehmende Temperatur zu Gas werden. Zwar sind Gashydrate innerhalb der Sedimente recht stabil, aber über längere Zeiträume betrachtet unter Einbeziehung der Umwälzprozesse durch die Kontinentaldrift werden immer wieder größere Anteile von ihnen instabil.

Bild: pixabay – Patrik Houštecký

Aus seismischen Untersuchungen wissen wir, dass gerade in den Schelfbereichen der Kontinente erhebliche Methanhydrat-Lagerstätten vorhanden sind. Zwar sind sie als Energiequelle eine zukünftige Option, doch gegenwärtig stellen sie eher einen Turbo für den Klimawandel dar. Durch die bereits eingesetzte Erwärmung der Meere kommt es vermehrt zu massiven Entgasungen der Methanhydrate, weil der für sie erforderliche P-T-Bereich nicht mehr gegeben ist. Das erhöht nicht nur den Methangehalt der Atmosphäre, was die Erwärmung weiter antreibt, sondern destabilisiert auch größere Bereiche von Kontinentalhängen mit der Folge, dass es dadurch immer wieder zu einem gefährlichen Storegga oder Tsunami kommen kann.

Beitragsbild: pixabay – Michael-Treu.

Dieser Beitrag wurde erstmalig am 2.6.2022 erstellt.

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