Klimaschutz und Konsumdeppen vertragen sich nicht!

Wirtschaftskonzerne, Politik und Medien hämmern uns seit vielen Jahrzehnten das Mantra des ständigen Wachstums in unsere Hirne. Kein Wunder, dass so viele Menschen das so glauben und sogar überzeugt davon sind. Zwar zeichnete sich die daraus generierte ökologische Katastrophe schon in den 1960er-Wachstumsjahren ab, zum Beispiel bei einem verstohlenen Blick aufs Ruhrgebiet, aber darauf reagiert hat kaum jemand.

Inzwischen sind weitere 60 Jahre vergangen und eine zunehmende Zahl an jungen Klima-Aktivisten ist weltweit unterwegs mit dem dringenden Wunsch, den Klimakollaps vielleicht doch noch abzuwenden. Manche von ihnen haben den fatalen Zusammenhang zwischen Überbevölkerung des Planeten, Energieverschwendung, Konsumrausch, Umweltvergiftung und Zusammenbruch der Biosphäre begriffen, doch all die anderen machen weiter wie bisher nach dem vermeintlich einzig attraktiven Motto: Geld regiert die Welt.

Die Bundesregierung hat sich bemüht, gegenzusteuern. Es wurde der Kohleausstieg vorangetrieben, Hausbesitzer wurden gezwungen, ihre Häuser zu dämmen, was nicht selten wegen der vermehrten Schimmelbildung auf Kosten der Gesundheit geht, die Glühlampe wurde verboten und durch vermeintlich viel klimafreundlichere LED-Sparlampen ersetzt, unzählige Verbrennungsmotoren, die noch viele Jahre ihren Dienst tun würden, werden verschrottet, um der E-Mobilität Vorschub zu leisten und so weiter. In der Tat bestätigte sich die Hoffnung, dass andere Länder dem deutschen Vorzeigebeispiel zumindest in Teilen folgen.

Aber was nützt das alles, wenn gleichzeitig andere Länder gegeneinander Kriege führen?

Da wird schweres Kriegsgerät über weite Landschaften geschoben, Kampfhubschrauber toben über Städte, Jagdbomber lassen Tanklager explodieren. Ein einziger Kriegstag vernichtet mit Blick auf den Klimaschutz das in 20 Jahren Erreichte anderer Länder. Ist das ein Irrsinn!

Dem Planeten ist es egal, ob es sich um einen aggressiven Angriffskrieg oder um einen defensiven Verteidigungskrieg handelt. Auch Letzterer wäre vermeidbar, würde man sich noch an jene alten, weisen Hippies erinnern, die einst sagten: „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“. Der Geist von Woodstock „make love and peace, but not war“ ist mit der heutigen Generation leider gestorben.

Klimaschutz und die vielen anderen Problemlösungen, die den gesamten Planeten betreffen, setzen eine geeinigte Weltgemeinschaft voraus, die keine Nationalstaaten mehr zulässt. Dabei kommt es überhaupt nicht darauf an, unter welcher Ägide oder nach welchen „Werten“ eine solche Weltregierung geführt wird. Hauptsache ist, wir ziehen alle gleichzeitig an einem Strang in die gleiche Richtung.

Betrachten wir eine Alternative zum globalisierten Wirtschaftswachstum etwas genauer

Darüber ist in den Wirtschaftswissenschaften schon lange eine Debatte entbrannt. Da sind diejenigen, die gerade in mehr Wachstum und Innovationen einen Schlüssel für die Nachhaltigkeit sehen, und jene, die der Postwachstumsbewegung des Umweltökonomen Niko Paech anhängen, der „grünes Wachstum“ für eine Illusion hält.

Paech forscht und lehrt an der Universität Siegen und weiß, dass jetzt ein „Zeitalter des Weniger“ dringend erforderlich ist, wollen wir weitere Krisen verhindern. Unsere Gesellschaft muss sich dahingehend wandeln, Güter zu teilen und immer wieder zu reparieren. Für Lebensqualität brauchen wir endlich einen ganz anderen Maßstab.

Schon vor über 50 Jahren stand im Bericht des Club of Rome geschrieben, dass unser Wirtschaftssystem kollabiert, wenn die Menschheit so weitermacht. Paech hält diese Formulierung sogar für eine „fulminante Untertreibung“, denn damals ging es ja nur um die Verknappung der Ressourcen und um eine Überlastung der Ökosphäre im Kontext des zu straffen Bevölkerungswachstums. Die Folgen einer totalen Globalisierung mit den Instabilitäten der weltweit verzweigten Spezialisierungen und eine Technologieabhängigkeit, die uns alle in höchstem Maße gefährdet, waren damals überhaupt noch nicht im Fokus.

Der Krieg in der Ukraine ist so ein Anlass, der die installierten Abhängigkeiten ins Wanken bringt. Deutschland bezieht 55 Prozent des importierten Erdgases aus Russland. Diesen Energieträger in überschaubarer Frist zu substituieren, ist unmöglich, weil der größte Teil des Immobilienbereiches von Gas abhängig ist. Wenn überdies Metalle und seltene Erden knapp werden, ist die Krise nicht mehr abzuwenden. Kleine Impulse reichen aus, um unser Kartenhaus zusammenbrechen zu lassen.

Wir können und müssen es uns abschminken, auch in China, Indien oder Afrika einen Wohlstand aufbauen zu wollen, der in etwa mit jenem vergleichbar ist, der bei uns vor 30 Jahren zu verzeichnen war. Die gegenwärtige ökonomische Situation Chinas basiert bereits auf der Ausplünderung Afrikas. Gleichzeitig zeigen uns die Farben der chinesischen Flüsse an, was in Europa gerade Mode ist.

Es bleibt die Frage, wie wollen wir Lebensstandard bemessen? Ist es der Pro-Kopf-Verbrauch an Gütern oder vielleicht doch eher die psychosoziale Stabilität eines Landes? Die moderne Konsumforschung lehrt uns, dass Menschen innerlich ausbrennen, wenn man sie immer mehr Konsummöglichkeiten aussetzt. Die damit verbundene Lawine unüberschaubarer Selbstverwirklichungsoptionen überfordert die Menschen in gleich mehreren Hinsichten. Wir sollten nicht den Fehler machen, Lebensqualität und Lebensstandard in einen Topf zu werfen.

In seinem Buch Befreiung vom Überfluss plädiert Paech für eine Reduktion des individuellen Konsums, um die Wirtschaft auf diese Weise nachhaltig zu machen. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob es eine Regierung ist, die einen autofreien Sonntag oder einen auf 20 kg begrenzten Jahresfleischkonsum pro Kopf verordnet, oder ob die Menschen aus Vernunft und Einsicht solche Schritte mitgehen.

Wir dürfen dabei in der Tat auf die Fantasie der Menschen hoffen. Irgendwo werden neue Lösungsansätze erprobt, die sich vielleicht gut bewähren und deshalb vielerorts aufgegriffen werden. Daraus erwächst dann eine neue Bewegung. Nur in einer solchen Situation ist die Regierung in der Lage, ohne politischen Selbstmord dabei zu helfen, dass sich diese Neuerung durchsetzt, indem Rahmenbedingungen oder Anreizsysteme und nicht zuletzt entsprechende Gesetze geschaffen werden.

Die CO2-Steuer ist leider reine Makulatur. Die vielen Bezieher mittlerer und höherer Einkommen beeindruckt sie jedenfalls nicht genug, um zum Beispiel die Anzahl der Urlaubsflüge signifikant zu reduzieren. Kommen wir deshalb noch kurz auf das Stichwort Postwachstumsökonomie zu sprechen.

In Oldenburg gibt es ein kommunales Ressourcenzentrum, wo postwachstumstaugliche Lebensweisen gemeinschaftlich entwickelt und erprobt werden können. Daran beteiligen sich auch Unternehmer, Handwerker und Freiberufler. Einen Schwerpunkt bildet die Reparatur von Gütern, die sonst auf dem Müll landen würden, sowie deren gemeinschaftliche Nutzung. Außerdem nimmt dort die Selbstversorgung einen breiten Raum ein, um zu zeigen, dass es durchaus ohne Kängurufleisch aus dem Outback geht.

Es ist doch eigentlich ganz logisch, dass sich vier oder fünf Menschen völlig problemlos ein Auto, einen Staubsauger, einen Rasenmäher, die große Leiter oder die Waschmaschine teilen könnten, etwas guten Willen vorausgesetzt. Das würde allen Beteiligten nicht nur viel Geld sparen, sondern auch viel Energie und Ressourcen für all die Produkte, die nun gar nicht mehr produziert werden müssten. Überdies brauchen Produkte, die nicht hergestellt wurden, auch keinen Lagerplatz, der gerade in den Großstädten zu einem Problem geworden ist.

Bislang waren wir alle „Konsumdeppen“, die einen mehr oder weniger spezialisierten Beruf ausübten. Die Postwachstumsökonomie bietet uns dagegen Strukturen, die uns wieder kompetent machen, die Dinge selbst zu reparieren, Anbau in kleinem Rahmen zu betreiben und unsere Nahrungsmittel selbst zuzubereiten und Waren eigenhändig zu produzieren, um sie gemeinsam mit anderen Menschen zu nutzen. Wer am Ende des Tages sehen und anfassen kann, was er mit seiner Hände Arbeit erschaffen hat, erfährt einen deutlichen Zuwachs an Freiheit und Glück.

Beitragsbild: pixabay.de – Noupload

Dieser Beitrag wurde am 23.04.2022 erstellt.

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