Hohe Hürden für die Energiewende

Die Abhängigkeit Deutschlands vom russischen Gas ist gerade in aller Munde, aber überhaupt nichts Besonderes, haben wir uns doch mit der Globalisierung gleichzeitig blind in tausend Abhängigkeiten gestürzt, und zwar von Ländern, die in puncto Menschenrechte mitnichten besser dastehen als Russland.

Aber bleiben wir erst einmal in Europa. In den letzten Monaten ist die Berichterstattung über Serbiens Hauptstadt Belgrad möglicherweise aus bekannten Gründen etwas untergegangen. Dort haben Tausende Menschen gegen Rio Tinto demonstriert, weil der australisch-britische Konzern in Jadar im Westen Serbiens ein Bergwerk zur Gewinnung von Lithium und Bor errichten will. Die Menschen ahnen allerdings, was das für ihre Umwelt, für ihre Gesundheit und für die Gesellschaft insgesamt bedeutet.

Fakt ist, dass in dem Maße, wie wir fossile Energieträger durch Sonnen- und Windenergie ersetzen wollen, erst einmal Bergwerke für (Metall)Erze entstehen müssen, doch die will niemand in seiner Nähe haben.

Das Pariser Klimaabkommen gibt uns noch 28 Jahre für einen Prozess, an dessen Ende der Ausstoß klimakritischer Gase auf null zurückgeschraubt worden sein muss. Es geht also um einen massiven industriellen Wandel, der auf eine ganz andere Rohstoffbasis gestellt wird. Gemäß dem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) erfordert eine moderne Fotovoltaikanlage gut doppelt so viele metallische Rohstoffe wie ein Kohlekraftwerk mit etwa gleicher Leistung und bei Onshore-Windenergieanlagen sind das gleich fünfmal so viele Metalle. Sogar die siebenfache Menge brauchen Offshore-Windräder.

Das Seltenerd-Metall Neodym zum Beispiel wird zur Herstellung von Permanentmagneten benötigt und bietet den Vorteil, dass Windkraftanlagen weniger wartungsintensiv sind. Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA), die der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) angehört, hat sich wissenschaftlich mit dem voraussichtlichen Rohstoffbedarf für die Energiewende auseinandergesetzt. Aus ihrem Bericht geht unter anderem hervor, dass sich der globale Bedarf an Neodym bis zum Jahr 2040 wahrscheinlich versechsfachen wird. Eine ganz ähnliche Prognose gilt demnach für mehr als 20 andere kritische Metalle.

Die Energiewende erfordert neue Technologien, die wiederum alle einen enormen Bedarf an exotischen Metallen wie Scandium oder Iridium aufweisen. Neben Solar- und Windenergieanlagen geht es da zum Beispiel um:

  • Elektrofahrzeuge
  • Stationäre Stromspeicher
  • Großanlagen für die Wasserelektrolyse zur Produktion von „grünem Wasserstoff“
  • Rechenzentren
  • Quantencomputer
  • Radiofrequenz-Mikrochips für die 5G- und 6G-Funkmasten
  • Meerwasserentsalzungsanlagen

Es liegt also auf der Hand, dass viele Volkswirtschaften in neue Abhängigkeiten stürzen werden, die in einem direkten Zusammenhang mit solcherlei Metallen stehen.

Bergbau war einst eine deutsche Domäne

Interessanterweise ging die deutsche Wiedervereinigung mit dem Rückzug des deutschen Metallbergbaus in Ost und West einher. Die Vorkommen sind dort durchaus nicht in jedem Fall erschöpft, aber die zunehmende Zahl neuer Umweltgesetze, die hohe Standards für Vorsorge- und Sicherheitsmaßnahmen fordern, haben den Bergbau in Deutschland absolut unrentabel gemacht. Überdies wurden sogar die Reserven kritischer Rohstoffe aufgelöst, gibt es doch so viele Länder, deren Lohnniveaus auf unbestimmte Zeit unschlagbar niedrig liegen.

Die geopolitischen Spannungen haben allerdings in den letzten Jahren dramatisch zugenommen und ein Ende dieser fatalen Entwicklung ist leider nicht in Sicht. Damit schließt sich die Tür für günstige Rohstoffeinfuhren immer weiter zu. Zu Beginn des Ukraine-Krieges stieg beispielsweise der Nickel-Preis innerhalb von nur zwei Tagen um ungefähr 250 Prozent, was ein temporäres Aussetzen des Handels erforderlich machte. Dabei ist Nickel nicht einmal so selten und Russland stellt lediglich ein Zehntel der globalen Fördermenge bereit.

Schon lange vor dem Ukraine-Konflikt forderten Wirtschaftsverbände wie der BDI, dass Deutschland seine Versorgung mit metallischen Rohstoffen dringend wieder in die eigene Hand nehmen muss. Tatsächlich hat die sonst so träge Europäische Kommission 2020 die European Raw Materials Alliance auf die Beine gestellt, ein Bündnis mit dem Auftrag, die Versorgungssicherheit der europäischen Industrie zu verbessern. Der Fokus liegt hierbei auf einer verstärkten Zusammenarbeit mit stabilen Partnerstaaten wie Australien oder Kanada sowie auf der Unterstützung nachhaltigen Bergbaus in afrikanischen Staaten.

Der Geologe Jens Gutzmer leitet seit vielen Jahren das Freiberger Helmholtz-Institut für Ressourcentechnologie und weiß, dass Deutschland praktisch nichts dafür getan hat, neue Bergwerke zu erschließen, weil so etwas allein die Aufgabe der Wirtschaft sei. China hat dagegen verstanden, dass der Abbau von Rohstoffen weitgehend in staatliche Hand gehört, und so läuft es dort auch seit den 1990er-Jahren. Inzwischen dominiert China nicht nur den Abbau und die Verarbeitung der Seltenen Erden, sondern auch die Prozessketten um Gallium, Vanadium und Indium.

Kommen wir nun noch einmal auf das Geschehen in Serbien zurück, weil es so deutlich zeigt, was mit der EU los ist. Im Jahre 2013 suchte die serbische Regierung händeringend nach Investoren sowohl für die Kupfermine als auch für die Kupferhütte in der Nähe der Kleinstadt Bor im Osten des Landes, denn gerade wegen der Entdeckung einer neuen Kupferlagerstätte wäre das frühere Industriekombinat nun sanierbar gewesen.

An Interesse einiger Bergbauunternehmen fehlte es nicht, sehr wohl aber an wohlwollenden Bürgschaften von Regierungen in der EU. So blieb der serbischen Regierung gar nichts anderes übrig, als dem chinesischen Unternehmen Zijin den Zuschlag zu erteilen. Das war 2018. Inzwischen werden in Bor jährlich mehr als 27.000 Tonnen Kupferkonzentrat gefördert, die entlang der chinesischen Seidenstraße von Europa weg diffundieren.

In der westspanischen Extremadura birgt der Untergrund reiche Lithiumvorkommen, aber die Anwohner lehnen ein Bergwerk geschlossen ab. Weiter nordwestlich in Portugal wird sogar das größte Lithiumvorkommen Europas vermutet. Doch der portugiesische Präsident Marcelo Rebelo de Sousa hat sich klar gegen ein Bergwerk ausgesprochen.

Nach massiven Protesten gegen die Kupfermine bei Jadar entschied sich die serbische Premierministerin Ana Brnabic Anfang des Jahres 2022 gegen das Projekt. Der Grund des Unmuts hat mit den enttäuschenden Erfahrungen zu tun, die im Zusammenhang mit dem chinesisch geführten Kupferbetrieb in Bor bereits gemacht worden sind, denn dort haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Anwohner praktisch nicht verbessert. Das Unternehmen stellte vorwiegend Arbeitskräfte aus China und Vietnam ein, aber mit der schlechten Luftqualität durch die Kupferproduktion mussten sich alle herumplagen.

 

Eine Problemlösung könnte in der Kreislaufwirtschaft liegen

Die Automobilwirtschaft beklagt die gestörten Lieferketten schon seit vielen Jahren, was dem zunehmenden Einbau von elektronischen Komponenten in die Fahrzeuge geschuldet ist. Elektrofahrzeuge enthalten die siebenfache Menge metallischer Rohstoffe als Autos mit Verbrennungsmotoren. In weniger als zehn Jahren will daher zum Beispiel Volkswagen einen großen Teil der Metalle, die in Elektrowagen verbaut sind, zurückgewinnen. Dies sollte die Abhängigkeit von Importen drastisch verringern. Bei Windrädern und auch bei hochwertigen Solarzellen können die Produktzyklen aber durchaus 30 Jahre und mehr betragen, sodass hierbei ein Rohstoffkreislauf nur sehr verzögert anrollen kann.

Im Übrigen ist die Verfahrenstechnik beispielsweise zur wirtschaftlichen Rückgewinnung des in einer Fotovoltaikzelle dünn aufgedampften Galliums noch längst nicht entwickelt. Die Rückgewinnung von Hightech-Metallen aus den elektronischen Komponenten verschrotteter Fahrzeuge ist Stand heute viel zu teuer, als dass ein solches Unterfangen überhaupt probiert würde.

 

Wie immer reagiert die Politik mit unrealistischen Vorschriften

Im Rahmen des Green Deal der EU-Kommission wird nun ein schärferes Recycling wertvoller Metalle vorgeschrieben. Die nachhaltig steigenden Rohstoffpreise könnten dazu führen, dass sich Bergbau in Ländern mit strengen Umweltgesetzen und hohem Lohnniveau wieder etablieren kann, solange das Recycling von Rohstoffen noch so komplex und teuer ist. Natürlich bedeutet das am Ende der Kette eine deutliche Verteuerung der Produkte.

Ob wir es uns dann noch leisten können, dass (laut IEA) die Schaffung eines neuen Bergwerks vom Planungsbeginn bis zur Aufnahme der Produktion ungefähr 16 Jahre dauert, steht auf einem ganz anderen Blatt. Ohne einen beherzten Abbau von Bürokratie wird es wohl nicht gehen.

Was bisher geschah, dass die europäischen Gutmenschen mit ihrer einengenden Gesetzgebung ihren nachhaltigen Umweltschutz nachweisen, während sie zur gleichen Zeit billig Rohstoffe oder Kleidung aus weniger entwickelten Ländern aufkaufen, auf die sie mit dem moralischen Finger zeigen, das ist extrem verlogen und wurde in der Welt als solches längst erkannt

Dieser Beitrag wurde am 23.04.2022 erstellt.

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