Haben wir den Kipp-Punkt des Klimas bereits überschritten?

Wir beziehen uns dieses Mal auf einen Artikel, der in der Frankfurter Allgemeine (FAZ) am 8. September 2022 erschienen ist und ergänzen das Thema um ein Interview, das die Frankfurter Rundschau (FR) am 13. September mit dem renommierten Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber geführt hat. Dabei geben wir auch eigenen Interpretationen und Bewertungen etwas Spielraum.

Es zeichnet sich schon jetzt ziemlich klar ab, dass das Pariser 1,5-Grad-Ziel nicht ausreicht, um den Klimakollaps noch zu verhindern. Ungefähr 10.000 Jahre lang war das Erdklima im Holozän recht stabil. Eine internationale Forschergruppe befasst sich seit 2008 mit den Risiken irreversibler, abrupter Änderungen, den sogenannten Klima-Kippelementen.

Zu ihren ersten Ergebnissen gehört die Feststellung, dass sich das Erdklima seit der vorindustriellen Zeit aktuell um 1,1 Grad Celsius erwärmt hat und damit einen „sicheren“ Klimazustand schon hinter sich gelassen hat. Das heißt, dass die im Rahmen des Pariser Klimavertrages angepeilte maximale Erwärmung von 1,5 Grad bereits die irreversible Überschreitung von fünf der heute bekannten 16 Schwellenwerte bedeutet.

Der Forschergruppe gehört der Schwede Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und zugleich Ko-Vorsitzender von „Earth Commission“ an. Er bezeichnet die Klima-Kippelemente als völlig unterschätzte Achillesfersen des Erdsystems. Jene 1,5-Grad-Grenze ist für ihn nicht irgendein politisches Klimaziel, sondern ein „echtes planetares Limit“.

Kurzer Rückblick

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) schätzte die Wahrscheinlichkeit für das Auslösen von Kipppunkten bei einer globalen Erwärmung um zwei Grad als „hoch“ ein, ab 2,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau als „sehr hoch“. Über die Auswirkungen einer Erwärmung von 1,5 Grad hatte das IPCC nicht weiter philosophiert.

Die Forschergruppe um David Armstrong McKay (Stockholm Resilience Center), Tim Lenton (Universität Exeter) und die PIK-Experten hat gerade alle seit 2008 veröffentlichten relevanten Daten zur Entwicklung der infrage kommenden Kippelemente neu bewertet mit dem Ergebnis, dass das seit Jahrzehnten in der Klimapolitik in Augenschein genommene Zwei-Grad-Ziel als völlig indiskutabel eingestuft werden muss, weil wir bereits bei 1,5 Grad gewaltige Risiken in Kauf nehmen. Eine Überlegung beziehungsweise Aussage wie „Wenn wir 1,5 Grad nicht schaffen, werden es eben wenigstens zwei Grad sein“, ist ein mehr als gefährlicher Trugschluss.

Wir reden inzwischen über eine Liste von neun globalen Kippelementen, die, schon jedes für sich genommen, das gesamte Erdsystem aus dem Lot bringen können, das heißt, es in einen neuen, sehr ungemütlichen Zustand zu überführen. Sieben weitere solcher Kippelemente haben zumindest regional eine starke Bedeutung.

Wer kippt zuerst?

Am unteren Rand des Unsicherheitsbereichs in Bezug auf die Risiken befinden sich im Hinblick auf die aktuelle Erderwärmung um 1,1 Grad diese fünf Kippelemente:

  • Eisschilde Grönlands
  • Eisschilde der westlichen Antarktis
  • Atlantik-Umwälzpumpe im Bereich der Labradorsee
  • Absterben der tropischen Korallenriffe
  • Auftauen der Permafrostböden

Hier sind nachhaltige Veränderungen schon längst in vollem Gange und tragen bereits jetzt zum Kippen des Erdsystems in einen anderen instabilen Zustand bei. Insofern schlagen die Wissenschaftler mit voller Berechtigung Alarm.

Trendbeschleunigung durch den Kaskadeneffekt

Wenn ein Mensch nur mit einem Gift konfrontiert wird, hat er gute Chancen, einigermaßen mit der Vergiftung klarzukommen. Handelt es sich gleich um einen Cocktail verschiedener Toxine, ist der Organismus meistens chancenlos. So in etwa verhält es sich auch beim Planeten Erde. Schießen gleich mehrere Kippelemente aufgrund gegenseitiger Rückkopplungen über die Grenzen des Erträglichen hinaus, gibt es für das Klima kein Zurück mehr.

Nehmen wir zum Beispiel den Rückgang der Meereisbedeckung in der Arktis. Isoliert betrachtet ist dies allein noch kein Kippelement. Doch die deutliche Verringerung der Albedo aufgrund der viel kleineren hellen Eisflächen führt zu mehr Wärmeaufnahme im dunklen Wasser, was die Erderwärmung noch zusätzlich beschleunigt. Der gesamte Energiehaushalt wird dadurch weit über die nördlichen Polargebiete hinaus immer stärker verändert.

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In diesem Zusammenhang ist es interessant, die Einschätzungen des renommierten Klimaforschers Hans Joachim Schellnhuber mit anzuführen. Er drückt sich in diesem Punkt nämlich so aus: „Das Langfristziel heißt Klima-Reparatur.

Schauen wir uns an, wie er seine Aussage begründet.

Ein Klimawandel mit gravierenden Auswirkungen ist faktisch nicht mehr abzuwenden. In spätestens 15 Jahren wird die 1,5-Grad-Marke der globalen Erderwärmung überschritten sein. Worum es also geht, ist die Abwendung von Klimagefahren, die die menschliche Zivilisation oder sogar unsere Spezies auslöschen könnte. Hier liegt die Wahrscheinlichkeit gerade bei ungefähr 50 Prozent, das heißt, wir haben noch Überlebenschancen, wenn wir jetzt alles richtig machen.

So sieht der günstige Fall aus

Wenn die Erderwärmung zwei Grad überschritten hat, kehrt sich der Prozess ganz langsam wieder um und läuft circa 200 Jahre lang zurück bis auf den jetzigen Stand. Dazu muss aber Kohlendioxid aktiv aus der Atmosphäre entfernt werden, indem beispielsweise mit großflächigen Aufforstungen und einer besonders nachhaltigen Landnutzung gearbeitet wird. Was den Städtebau anbetrifft, müsste vor allem das Baumaterial Holz zum Einsatz kommen, weil dieser nachwachsende Rohstoff zugleich als CO2-Speicher fungiert.

Machen wir uns also nichts vor. Zwei Grad mittlere globale Erwärmung heißt, dass sich an Land die Temperatur um drei bis vier Grad erhöht und regional können auch mal fünf bis sechs Grad drin sein. Der gesamte globale Meeresspiegel wird mindestens einen Meter ansteigen, was eine Herausforderung für den Küstenschutz ist. In weiten Teilen Südeuropas wird Landwirtschaft nur mit hochgradig verschwenderischer Bewässerung möglich sein und deshalb vielerorts aufgegeben werden.

In den Tropen wird die feuchte Hitze derart belastend sein, dass dies geradezu Völkerwanderungen weg von den äquatorialen Regionen auslösen wird. Es wird zu einer Migration von Hunderten Millionen Menschen kommen.

Der ungünstige Fall gestaltet sich noch schlimmer

Ab drei Grad Erwärmung ist der Klimawandel gar nicht mehr beherrschbar. Das ist jener „point of no return“, den wir gern auch als „Climate End Game“ bezeichnen können. Die verschiedenen Modelle zeichnen dazu üble Szenarien angefangen vom Kollaps der Weltwirtschaft bis hin zur Auslöschung der Menschheit.

Bei vier Grad steigt der Meeresspiegel gleich um Dutzende Meter, das heißt, dass die meisten heutigen, dicht bevölkerten Küstenzonen verschwinden. In den inneren Tropen ist dann ein Aufenthalt im Freien nicht mehr möglich. In den Andenregionen oder in Zentralasien steht im Sommer kein Wasser zur Verfügung, weil es längst keine Gletscher mehr gibt. Alle heutigen semiariden Gebiete werden zu toten Wüsten umfunktioniert.

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Schon lange bevor wir mit solchen Bedingungen konfrontiert sind, bricht ein erbitterter Überlebenskampf „jeder gegen jeden“ aus. Bereits heute ergeben sich in Deutschland tiefgreifende gesellschaftliche Konflikte wegen der immer weiterwachsenden Flüchtlingszahlen.

Wie also weiter verfahren?

Zwar wurde diese ominöse 1,5-Grad-Grenze in den Pariser Klimavertrag eingetragen, aber mal Hand aufs Herz, man wusste schon 2015, dass diese nicht zu halten sein wird. Es ging dabei lediglich um ein ehrenwertes diplomatisches Zugeständnis unter anderem an kleine Inselstaaten, die um ihre Existenz fürchten.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass das Pariser Abkommen nichts weiter als Traumtänzerei ist, denn mit komplett freiwilliger CO2-Minderung von ein paar Gutmenschen kommen wir nicht weiter. So konnten die Staaten dieser Welt einschließlich Saudi-Arabien dem auch uneingeschränkt zustimmen.

Für die deutsche Regierung zumindest scheinen die Megaflut im Ahrtal 2021 sowie die vier letzten Dürresommer unverkennbare Warnsignale der Natur zu sein. Doch die Hoffnung darauf, dass 200 Nationalstaaten in konzertierter Aktion ein globales Problem lösen können, ist wohl mehr als naiv.

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Dort, wo wir mit unseren Einsichten heute angelangt sind, hätten wir bereits vor 30 Jahren stehen müssen, als der erste aufrüttelnde IPCC-Bericht veröffentlicht wurde. Es muss uns endlich gelingen, dass jeder von uns das Gemeinwohl attraktiver findet als unseren Eigennutz. Eine solche Gesellschaft müssen wir weltweit bauen. Doch leider haben wir dafür keine Zeit mehr.

Gibt es überhaupt noch eine Chance für die Menschheit?

Es braucht eine konsequente und mächtige politische Führung mit Visionen, die dieser historischen Herausforderung gewachsen ist. Dazu müssten die Medien unbedingt ihren engagierten Beitrag leisten, um den Menschen ein überzeugendes Lösungsnarrativ anzubieten.

Die Krise, die wir gerade mit russischem Gas erleben, hat in erster Linie dazu geführt, auf dem Weltmarkt nach fossilen Ersatzquellen zu suchen. Um aus der russischen Abhängigkeit zu entkommen, spielt nicht einmal der Preis oder die Art der Gasförderung eine Rolle. Im Moment wird lediglich eine Lieferanten-Diktatur durch eine andere ersetzt. Stattdessen hätte man diese unfreiwillige Gelegenheit dazu nutzen müssen, mit allerhöchster Priorität die erneuerbaren Energien im eigenen Lande zu forcieren.

Zwei oder drei deutsche Atomkraftwerke etwas länger laufen zu lassen, ist gewiss vertretbar. Allerdings werden dadurch nur relativ geringe zusätzliche Strommengen bereitgestellt und so getan, als würde eine Debatte über eine wirklich große effektive Transformation im Energiesektor gar nicht nötig sein. Salopp gesagt können Sie gar nicht so viele Reaktoren schnell genug bauen, wie jetzt sofort nötig wären, um unser Klima zu retten.

Dringend notwendig ist doch der umgekehrte Weg, den wir schon längst hätten einschlagen sollen. Wer sparsam lebt, braucht kaum Energie. Wenn wir uns selbst bei jedem Konsumwunsch fragen würden, „brauche ich das jetzt eigentlich wirklich“, wäre schon viel gewonnen. Die Industrie muss Produkte herstellen, die viel länger halten. Reparaturen müssen sich wieder lohnen und viel mehr Menschen sollten in der Lage sein, diese selbst ausführen zu können. Wir müssen weg vom Monopol der Konzerne.

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Wir brauchen auch nicht alle zwei Monate eine neue Modekollektion, und ob es unbedingt erforderlich ist, dass Formel-1-Rennwagen jeden Tag Tausend sinnlose Runden drehen, darf gern bezweifelt werden. Sollen doch diese Leute wenigstens eilige Arzneimittel von A nach B bringen. Wenn wir weltweit endlich mental bei uns selbst und unseren vermeintlichen Bedürfnissen anfangen, können wir das Ruder vielleicht noch herumreißen.

Beim chinesischen Präsidenten Xi Jinping ist derzeit leider keine Bereitschaft zu erkennen, sich an internationale Klima-Abkommen zu halten, nach dem Motto „China first“. Gleichzeitig sieht alles danach aus, dass die amerikanische Demokratie am Zerfallen ist. Die ganze Hoffnung ist also auf Europa und Afrika gerichtet. Letzteres ist ja in erster Linie vom Klimawandel betroffen.

Im Jahre 1950 lebten in Afrika ungefähr 200 Millionen Menschen, heute sind es schon mehr als eine Milliarde, das ist mindestens eine Verfünffachung innerhalb von 70 Jahren. So müssen wir für das Jahr 2100 mit wenigstens drei Milliarden Afrikanern rechnen. Die EU ist also gut beraten, gemeinsam mit den „benachbarten“ afrikanischen Ländern eine grüne Agenda für die nachhaltige Nutzung der enormen afrikanischen Ressourcen auf den Weg zu bringen. Aber das muss sie unbedingt ohne den erhobenen kolonialen Zeigefinger machen, der anderen Nationen sogenannte westliche Werte aufzwingt.

 

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Dieser Beitrag wurde am 15.02.2023 erstellt.

 

Lässt sich das Klima mit Pflanzenkohle retten?

Die Technik dafür haben wir jedenfalls, sie ist also unmittelbar einsetzbar und sogar beliebig skalierbar. Aber warum sollte diese Form der Kohle überhaupt eine Option sein?

Die Photosynthese der Pflanzen bedeutet, dass CO2 aus der Luft genommen in Sauerstoff und Kohlenstoff aufgespaltet wird. Der Kohlenstoff wird dann für den Aufbau von Holz, Zweigen, Blättern, Zucker oder Wurzeln verwendet, das „Abfallprodukt“ Sauerstoff überlassen uns die Pflanzen freundlicherweise zum Atmen.

Wenn eine Pflanze abstirbt, wird ihr Kohlenstoffgehalt langsam wieder zu CO2 oxidiert und in die Atmosphäre entlassen. Die Wissenschaft spricht hierbei von dem natürlichen Kohlenstoffkreislauf. Würde man nun den Pflanzenabfällen ihren Kohlenstoff entziehen und anderweitig speichern, könnte damit das überschüssige anthropogene CO2 ein Stück weit ausgeglichen werden. Unter Pflanzenabfällen sollen hier zum Beispiel Küchen-, Garten- und Erntereste, Grünschnitt oder Schilf verstanden werden. Alles zusammen birgt ein riesiges Potenzial. Wir reden hier von mehr als 14 Millionen Tonnen Biomasse pro Jahr, die allein in Deutschland anfallen.

Dieser Haufen verrottet weitestgehend ungenutzt oder wird einfach verbrannt, beispielsweise im Rahmen der beliebten Osterfeuer. Der Klimaforscher Wolfgang Lucht hat sich im Rahmen einer Studie mit den Vor- und Nachteilen eines groß angelegten Einsatzes von Pflanzenkohle beschäftigt. Die Pflanzenabfälle können mittels Pyrolyse relativ einfach in Pflanzenkohle umgewandelt werden.

Schon seit mehreren Tausend Jahren wird die Verschwelung von Pflanzenresten unter Sauerstoffabschluss in sogenannten Meilern zur Herstellung von Holzkohle praktiziert. In modernen Pyrolyse-Anlagen wird dabei in kontrollierten Prozessen und Temperaturen über 450 Grad Celsius verhindert, dass polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, also flüchtige Verbindungen, die als krebserregend gelten, entstehen können.

Theoretisch und praktisch wird auf diese Weise eine Kohlenstoffsenke geschaffen, das heißt, mit der Zeit verschwindet ein Teil des CO2 aus unserer Atmosphäre. Und das ist auch dringend geboten, denn laut UN-Klimarat sollen wir unserer Luft bis 2100 bis zu 1.000 Gigatonnen CO2 entziehen, wollen wir das 1,5-Grad-Ziel tatsächlich einzuhalten.

Wofür lässt sich Pflanzenkohle nutzbringend verwenden?

Man könnte sie zum Beispiel im Boden verbuddeln. Auf diese Weise gelangt der Kohlenstoff dorthin zurück, wo er vor langer Zeit schon mal war. Erdöl, Erdgas und Kohle sind ja nichts anderes als unterirdisch gelagertes, gepresstes Pflanzenmaterial. Auch Humus besteht aus abgestorbenen Lebewesen, also zu circa 58 Prozent aus Kohlenstoff.

Im 19. Jahrhundert verfügten unsere Böden noch über einen Humusgehalt von bis zu 20 Prozent. Heute enthalten die meisten Äcker höchstens noch zwei Prozent Humus und es wird immer weniger. Dieser Entwicklung begegnen wir mit dem Klimakiller Stickstoffdünger. Er ist deshalb so schädlich, weil für seine Herstellung extrem viel fossile Energie verbraucht wird und überdies Lachgas freigesetzt wird.

Hans-Peter Schmidt aus dem schönen Schweizer Kanton Wallis entdeckte, dass sich Pflanzenkohle beim Kompostieren mit Nährstoffen auflädt. Sein Weinberg jedenfalls produzierte seither ganz besondere Jahrgänge. Daraufhin gründete er das Ithaka-Institut und weitere Tochterinstitute in den USA, Nepal, Ghana und auch in Deutschland.

Schmidt wertete zudem 26 Metastudien aus, in die Erkenntnisse von ungefähr 1.500 Einzelstudien seit dem Jahre 2015 einflossen. Die Ergebnisse sind überwältigend: Pflanzenkohle führt im Durchschnitt zu um ein Fünftel größeren Ernten, das Bodenleben entwickelt sich erfreulich und die Wasserrückhaltefähigkeit und der Humusanteil des Bodens erhöhen sich deutlich. Im Rahmen von Feldversuchen erzielte das Ithaka-Institut in Nepal Ertragssteigerungen von bis zu dem Vierfachen und in Bangladesch immerhin um 70 Prozent, während auf Kuba noch 37 Prozent mehr Ernteerträge drin waren.

Der Biolandwirt Sepp Braun aus Freising erntet Holz auf seinem Ackerbaumstreifen, um daraus Holzhackschnitzel zu machen, die dann in einer Pyrolyseanlage Pflanzenkohle herstellt und zugleich sein Haus beheizt. Die Kohle verfüttert er zum Teil als verdauungsfördernde Maßnahme an seine Milchkühe. Indem die Kühe im Stall schließlich noch auf den Kuhfladen herumtrampeln, tragen sie hilfsbereit zur Fermentation der Kompostiermasse bei. Nach wenigen Monaten werden die Äcker damit gedüngt. Braun besitzt inzwischen 54 Hektar mit einem fünfprozentigen Humusgehalt und schätzungsweise 25 Millionen Regenwürmern.

Pflanzenkohle goes Mainstream“ lautete im November 2021 das Motto einer Tagung des Fachverbands Pflanzenkohle. Daniel Kray ist Professor an der Hochschule Offenburg und beschäftigt sich mit den Parallelen zwischen Erneuerbaren Energien und Pflanzenkohle. Er erkennt bei Letzterer zurzeit geradezu ein „exponentielles Wachstum“ in den Forschungstätigkeiten. Saskia Kühnhold-Pospischil, die am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme arbeitet, bestätigt, dass das Pyrolyse-Verfahren technisch ausgereift ist und heute bereits vielfältig angewandt wird. Man solle sich aber immer gewahr sein, dass diese Form der Kohlenstoffsenke lediglich ein „ad-on“ darstelle, ohne eine gezielte drastische Reduktion von Treibhausgasen wird es nicht gehen.

Das Ithaka-Institut hat gemeinsam mit anderen Pionieren der Pflanzenkohle das European Biochar Certificate aus der Taufe gehoben. Dieses Gütesiegel bekommen Kohlenstoffsenken nur dann, wenn der Kohlenstoff auch wirklich auf Dauer aus den Stoffkreisläufen verschwindet.

Inzwischen sprießen auf nationaler und internationaler Ebene viele neue Pyrolyseprojekte aus dem Boden. Da werden zum Beispiel im schweizerischen Langenbruck Kaffeeabfälle verkohlt. Es ist geplant, solche Anlagen in Serie zu fertigen, um sie an Kaffeebauern in Brasilien und Vietnam zu liefern.

In Stockholm pflanzt man Straßenbäume in belüftete Gruben, die Schotterbruch und Pflanzenkohle enthalten. Auf diese Weise sind die Bäume widerstandsfähiger gegen Schadstoffe und Wassermangel. In Darmstadt plant der Kommunalbetrieb EAD, jedes Jahr ungefähr 16.000 Tonnen Bioabfälle und Grünschnitt zu verkohlen. Von der Wärme und dem Gas werden die Haushalte profitieren, während die Pflanzenkohle gemäß dem Stockholmer Modell viele Pflanzen der Gärtnereien erblühen lassen wird.

Eine bereits wirtschaftlich laufende Pyrolyse-Anlage wird seit Mai 2021 durch die Städtischen Industriewerke Basel betrieben, indem circa 200 Haushalte mit Wärme versorgt werden und die Pflanzenkohle an Gärtnereien verkauft wird.

An der Freien Universität Berlin (FUB) wird im Tierpark und im Botanischen Garten Pflanzenkohle aus Bioabfällen und Elefantenhaufen hergestellt. Dort versucht man den Weg der Terra preta, eines sehr fruchtbaren Bodens aus dem Amazonasgebiet, nachzubilden.

Aber auch für den Bau von Häusern und Straßen kann Pflanzenkohle Wertvolles leisten, indem beim Beton dessen hohes Maß an Klimafeindlichkeit reduziert wird. Davon gehen jedenfalls die relativ jungen Firmen CarStorCon und Carbon Instead aus. Und das Start-up Made of Air arbeitet daran, bisherige Kunststoffprodukte aus Pflanzenkohle herzustellen.

Auch die Schweizer Firma InfraTrace ist davon überzeugt, dass Asphalt durch die Zugabe von nur fünf Prozent Pflanzenkohle deutlich widerstandsfähiger gemacht werden kann. In der Nähe von Zürich wird von Bioenergie Frauenfeld bald ein Kraftwerk in Betrieb genommen, das mittels Verkohlung von Waldrestholz für ungefähr 8.000 Haushalte Strom produziert, wobei die Wärme in ein Fernwärmenetz eingespeist wird.

Unser Energiebedarf wird maßgeblich von der Sonne gesteuert

Bei allem Respekt für die vielen kreativen Pläne zur Einsparung von Energie als probates Mittel, dem Klimawandel effektiv entgegenzutreten, dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass schon immer die Sonne unsere hauptsächliche Energiequelle war. Damit wird jetzt nicht auf die direkte Nutzung des Sonnenlichts wie bei der Photovoltaik abgezielt, sondern vor allem auf die vielen sekundären Folgen einer mehr oder weniger aktiven Sonne. Es liegt doch auf der Hand: Wenn die Sonne die Atmosphäre stärker erwärmt, müssen wir weniger heizen.

Anders als vorhergesagt ist unsere Sonne zurzeit sehr aktiv. Eigentlich haben die Astronomen einen eher ruhigen Zyklus und ein nur mäßiges Maximum erwartet. Doch nun übertreffen die Anzahl der Sonnenflecken und der solare Radioflussindex alle Modellrechnungen, dies zeigen jedenfalls die Daten der amerikanischen Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA.

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Schon in der Schule haben wir gelernt, dass sich die Aktivität der Sonne etwa alle elf Jahre ändert. Verantwortlich dafür sind große konvektive Umwälzströme im Sonneninneren. Äußerlich bemerkbar macht sich dies unter anderem durch eine Zunahme der Zahl der Sonnenflecken, die mit vermehrten Plasmaausbrüchen und Sonnenstürmen (Flares) gekoppelt ist.

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Die ersten Flecken, die den Start des 25. Zyklus ankündigten, traten 2019 in Erscheinung. Zwischen 2024 und 2026 sollte dessen Höhepunkt zu erwarten sein, aber schon jetzt zeichnet sich ab, dass dieser wohl recht intensiv ausfallen wird.

Neben den Sonnenflecken ist es der solare Radiofluxindex, der uns eindeutige Hinweise auf Änderungen der Sonnenaktivität gibt. Beim solaren Flux (spektrale Flussdichte) handelt es sich hier speziell um die Radiostrahlung mit der Wellenlänge 10,7 cm beziehungsweise der Frequenz von 2.800 MHz.

Für den Februar 2022 waren theoretisch 31,5 Sonnenflecken und ein solarer Radiofluxindex von 81,6 Einheiten erwartet worden. Gezählt wurden aber knapp 60 Flecken und die Flux-Messung ergab einen Wert über 109. Die nun zu erwartenden starken Sonnenstürme können unsere Stromnetze, den Funkverkehr oder Navigationssignale beeinflussen. Satelliten könnten dadurch sogar zerstört werden.

SpaceX verlor zum Beispiel schon Anfang Februar 2022 dutzende Geräte. Diese gerieten durch den Impuls eines Sonnensturms aus der Umlaufbahn und verglühten dann in der Atmosphäre.

Die Daten der Modellrechnungen, die als offizielle Vorhersage des Sonnenzyklus gelten, stammen übrigens vom Solar Cycle Prediction Panel. Darin sind unter anderem die NOAA, die International Space Environmental Services und die amerikanische Weltraumagentur NASA vertreten.

Die Diskussion über den Anteil der sich verändernden Sonne am Klimawandel wird jedenfalls schon sehr lange geführt und ist selbstverständlich nicht von der Hand zu weisen. Klimawandel ist eine feste Größe in der gesamten Erdgeschichte und ein Motor der Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten. Ihn nur zu verteufeln, trifft im Grunde genommen nicht die Realität. Allein wir Menschen haben verständlicherweise Angst vor wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen für unsere Zivilisation.

Beitragsbild: pixabay – ralph

Dieser Beitrag wurde erstmalig am 31.05.2022 erstellt.