Mit der Erderwärmung steigt die Plastikkonzentration in den Weltmeeren

Für die Forschung war es ein Glücksfall, dass vor ungefähr 30 Jahren eine Havarie dazu führte, dass ein Schiff seine ganze Ladung „Quietscheenten“ verlor, erinnern Sie sich noch daran?

Über den nördlichen Pazifik im Bereich der Datumsgrenze fegte damals ein schwerer Wintersturm. Jenes Containerschiff, das sich auf dem Weg von Hongkong nach Tacoma an der Westküste der USA befand, hatte am 10. Januar 1992 schwer mit den Brechern zu kämpfen. Als sich das riesige Schiff wieder einmal stark zur Seite neigte, rissen sich gleich zwölf Container aus der Verankerung und schossen Torpedos gleich über Bord hinaus.

Der Aufprall aufs Wasser war für einen Container zu hart aus dieser Höhe. Insgesamt 28.800 Plastiktiere entluden sich in den Ozean: gelbe Quietscheentchen, rote Biber, grüne Frösche und blaue Schildkröten. Martin Visbeck vom Kieler GEOMAR erklärt, dass sich zufällig an dieser Stelle die Meeresströmungen von gleich zwei großen Wirbelsystemen überlappen, dem Subpolar- und dem Subtropenwirbel. Dies führte zu einem Transport der Plastiktiere, der zunächst nach Osten auf Seattle zu gerichtet war. Doch dort übernahm der Subpolarwirbel das Regiment und lenkte die Ladung nach Norden auf Alaska zu.

Ein paar Jahre sind die Plastiktiere im Nordpazifik erst einmal Karussell gefahren, so bestätigen es auch die Modellrechnungen der Wetter- und Ozeanografiebehörde der USA (NOAA). Da sich alle Wasserströmungen mit der Zeit weltweit austauschen, gelangte ein Teil der inzwischen etwas ausgeblichenen Plastiktiere über die Arktis hinweg in den Nordatlantik. Möglich war dies, weil seit einigen Jahren unsere nördliche Polkappe im Sommer zum größten Teil wegschmilzt.

Der US-Autor Donovan Hohn ging der Odyssee der Plastikentchen ergriffen nach und schrieb das Buch „Moby Duck“. Dabei stellte er fest, dass es zum ersten „Landfall“ in Alaska ungefähr zehn Monate nach der Havarie gekommen war, nachdem die Entchen über 3.000 km zurückgelegt hatten. Zu identifizieren waren und sind sie übrigens am Herstellervermerk auf der Unterseite: „First Years Inc.

Gemäß den Strömungsmodellen ist damit zu rechnen, dass einige dieser Tierchen auch an der Ostküste von Nordamerika an Land getrieben werden. Dort irgendwo ist der Sitz des Herstellers, der sogleich eine furiose Werbekampagne aus der Sache gemacht hat und jeden Fund dort mit 100 Dollar honorieren will.

Christian Haas ist Geophysiker am Alfred-Wegener-Institut, das sich in Bremerhaven befindet und zum Helmholz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung gehört. Er erläutert, dass der Meeresspiegel des Nordpazifiks wegen seines relativ geringen Salzgehaltes etwas höher liegt als jener des Nordatlantiks. In der Folge gibt es im arktischen Ozean eine ständige Strömung von der Beringstraße zum Nordatlantik hin.

Der Nordpol verliert sein Eis

Christian Haas war schon öfter in der Arktis, unter anderem an Bord der Polarstern. Im September 1991 fiel es dem Eisbrecher noch schwer, das circa 2,5 m dicke arktische Packeis bis zum geografischen Nordpol hin zu knacken. Inzwischen hat sich die Eisfläche in dieser nördlichsten Region der Erde fast halbiert und Eisdickenmessungen verraten, dass sich gleichzeitig auch die Stärke der Eisplatten mehr als halbiert hat und im letzten Sommer weniger als einen Meter betrug.

Im Rahmen der MOSAiC-Expedition ließ man die Polarstern gezielt im Eis einfrieren, um die Strömungen und das Driften des Eises quantitativ zu erfassen. Wegen der Vorzugsrichtung von Ostsibirien nach Grönland ist das Eis auf sibirischer Seite besonders dünn und der Eisschwund dort sehr deutlich.

Die Polkappen sind für uns unentbehrlich

Der Strahlungshaushalt der Erde wird maßgeblich durch die Albedo (Rückstrahlvermögen) geregelt, die umso größer ist, je mehr helle Eisflächen den Planeten bedecken. Diese wirken wie Spiegel, die die eintreffende Sonnenstrahlung direkt wieder zurück in den Weltraum katapultieren. Werden diese kleiner, wird immer mehr Sonnenenergie von der Erde absorbiert.

Damit wird sogleich ein sich selbst verstärkender Teufelskreis eingeleitet, denn die vermehrte Energie, die auf der Erde verbleibt, führt zu zusätzlichem Abschmelzen der Polkappen, aber auch der Gletscher in den Hochgebirgen. Ein Ergebnis daraus ist die sogenannte „Arktische Amplifikation“, die bedeutet, dass sich die Polargebiete in den letzten Jahren messbar stärker erwärmt haben als der Rest der Erdkugel.

So kam es auch, dass die Gummitiere nur circa sechs Jahre lang im Packeis des Nordpols gefangen waren, kurz nach der Jahrtausendwende hat sie die Erderwärmung daraus befreit und ihnen den Weg in den Nordatlantik geöffnet. Tatsächlich treibt vor allem der Wind das Eis gegen den Uhrzeigersinn langsam von Alaska in Richtung Grönland, wo das Packeis Dicken bis fünf Meter erreicht.

Die Gletscher bewegen sich immer schneller

Durch das zunehmende Abschmelzen des Eises gelangen die Massen an Schmelzwasser immer tiefer durch Gletscherspalten hindurch bis auf das unterliegende Felsbett, wo das Wasser wie eine Art Gleitfilm für die aufliegenden Eismassen fungiert, die dadurch in eine beschleunigte Horizontalbewegung geraten. Von diesem Prozess ist Grönland in besonderem Maße erfasst und das hat Folgen.

Unter der thermohalinen Zirkulation verstehen Wissenschaftler unter anderem das Absinken von kaltem, salzreichen Oberflächenwasser, das sich durch eine etwas höhere Dichte auszeichnet, in die Tiefen des Ozeans. Es handelt sich sozusagen um eine riesige Umwälzpumpe im Sinne eines Antriebs einer großen Meeresströmung. Je mehr grönländische Gletscher in den Nordatlantik abfließen, desto geringer wird der Salzgehalt im Oberflächenwasser der Region, was die Effizienz der Umwälzpumpe bis auf null zurückfahren kann.

Der Nordatlantikstrom, von dem hier die Rede ist, ist im Prinzip die Verlängerung beziehungsweise Ergänzung des Golfstroms, der warmes Wasser aus der Karibik bis nach Nordnorwegen hochschaufelt und für West- und Nordeuropa geradezu eine „Fußbodenheizung“ darstellt. Wenn dieses große Strömungssystem durch ungebremsten Süßwassereintrag an der grönländischen Ostküste angehalten wird, bedeutet die Erderwärmung für Europa eine drastische Abkühlung des Klimas mit unabsehbaren Folgen.

Ein Indiz für die dramatischen Auswirkungen auf den Golfstrom könnte die sogenannte Kälteblase sein, das einzige Gebiet südlich von Grönland und Island, das sich während der letzten 100 Jahre abgekühlt hat. Jene Klimamodelle, die die thermohaline Atlantikzirkulation einbeziehen, weisen diesen Effekt auch in ihren Berechnungen nach. Überdies zeigen solche Modellrechnungen, dass die dadurch beeinflusste atmosphärische Zirkulation zu Verlagerungen des Jetstreams führt mit der Folge, dass es in Westeuropa zu stärkeren Stürmen und im Sommer zu mehr und intensiveren Hitzewellen kommt, was die Realität schon längst bestätigt hat.

Nur das Tiefenwasser ist eine effektive Kohlendioxidsenke

Während die oberflächennahen Wasserschichten bereits mit CO2 gesättigt sind, kann der tiefe Ozean noch schier unendliche Mengen davon lösen. Solange die Umwälzpumpe gut funktioniert und Oberflächenwasser in die Tiefe befördert, gibt es also einen dankbaren CO2-Abnehmer. Insofern ist die Abschwächung des Golfstroms auch unter diesem Aspekt fatal, da das Abschneiden dieser Kohlendioxidsenke zu noch schnellerer Erderwärmung führt.

Wie steht es eigentlich um das Immunsystem der Erde?

Tatsächlich verfügt unser Planet über eine Vielzahl von Regelkreisen, die eben gerade so einen sich selbst induzierenden Dynamo, der zu immer schnellerer Klimaerwärmung führt, verhindern sollen. Einer davon ist in den Wolken zu suchen. Sonnenanbeter, die immerzu über unser zu trübes Wetter klagen, sollten den Wolken unbedingt mehr Dankbarkeit zollen. Mehr Energieeintrag und stärkere Erwärmung bedeuten zugleich mehr Verdunstung und damit zunehmende Wolkenbildung.

Dicke zusammenhängende Wolkendecken sind vom Weltall aus gesehen so hell wie Eisdecken und erhöhen daher die Albedo maßgeblich. Dadurch wird mehr Sonnenlicht in den Weltraum reflektiert und die Erwärmung der Erdoberfläche lässt nach. Doch jeder Regelkreis hat eine begrenzte Dynamik. Die Selbstheilungskräfte der Natur sind für uns mitnichten ein Freibrief dafür, dass wir uns in diesem Paradies völlig danebenbenehmen dürfen.

An Strände angeschwemmt wurde übrigens erst ein Bruchteil der bunten Gummitiere. Es lohnt sich, weiterhin Ausschau zu halten nach einstmals gelben Enten, grünen Fröschen, blauen Schildkröten und roten Bibern. Bedenken Sie, dass das Plastik im Meer leider mehr als 100 Jahre überdauern kann.

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Dieser Beitrag wurde am 10.02.2022 erstellt.


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